Algerien 2007: Zeit für die Wüste

Die Bewohner der Wüste sagen:
 Entweder man liebt die Wüste, oder man hasst sie!



Dirk’s und meine Liebe zur Wüste wurde 1995 bei unserer ersten Israel-Rundreise geweckt. 
In den Jahren danach hatten wir ein paar Mal die Möglichkeit, die Wüste hautnah im Urlaub zu erleben.

So waren wir zu Fuß, mit Kamelen und per Geländewagen in ihr unterwegs. Immer wieder aufs Neue fasziniert von der wunderbaren Schöpfung und der exakt an die extremen Bedingungen angepassten Tier- und Pflanzenwelt.
 Voller Bewunderung für die Menschen, die es seit Menschengedenken verstehen, dort, in der für Außenstehende feindlich anmutenden Natur, mit ihren Herden zu überleben. All die, die jetzt einen informativen Reisebericht mit Erklärungen zu Flora und Fauna und Mineralogie über die Sahara erwarten, müssen wir leider enttäuschen.

Ich (Marita) habe seit Jahren die Angewohnheit am Abend meinen Tag, mit all dem was er mir gebracht hat in schriftlicher Form, als Gebet, wie einen Psalm oder einfach als Tagebuch an meinen Herrn abzugeben. So auch bei unserem Aufenthalt in der Wüste, wobei eine Art von „Wüstentagebuch“ entstanden ist. Die Texte spiegeln meine persönlichen Gefühle, Empfindungen und Eindrücke. 
Zu den Texten haben wir eine kleine Auswahl passender Bilder herausgesucht.

Vorab ein paar kurze Infos zum Reiseverlauf:


Flugroute

Reisedauer mit Flugzeiten 14 Tage. Flug nach Tamanrasset in Süd-Algerien (Flugstrecke ca. 3000 km). Danach knapp zwei Tage Fahrt Richtung Süden durch einsame Wüstenlandschaften. 
6 Tage Aufenthalt im herrlichen Tassili d’Admer.
 Langsame Rückfahrt nach Tamanrasset, mit Abstechnern zu prähistorische Steinsetzungen und zu den Felsbildern und Gravierungen von Ain Rechlane, Abelemma und Tagrera Süd.

Wüste, das Wort für Wüste in Tamaschek, der Sprache der Tuareg, bedeutet ins Deutsche übersetzt: 
„Schönheit, Stille, Klarheit“

Lasst Euch mitnehmen auf eine etwas andere Reise in eine wunderschöne Welt voller Stille und Harmonie.

WÜSTE

Stille - in der die Seele ausruhen darf.

Weite - die in die Ewigkeit weist.

Wind - der umhüllt wie ein leichter Mantel.

Geborgenheit - die sich wie ankommen anfühlt.

Lebendiges Wasser - das nur in der Tiefe zu finden ist.

Sternenhimmel - der uns die Allmacht unseres Gottes preisen lehrt.

Friede - der unser Herz erfüllt.

                                            me Okt. 2007

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Sanft umhüllt vom warmen Licht des Abends. Der Himmel rosa angestrahlt von der Sonne, die gerade hinter dem Horizont versunken ist. Im aufziehenden Dunkelblau des Himmels der Mond, nur schwach zuerkennen. Stille, Ruhe, Harmonie und Frieden umgeben mich. Die Luft ist angenehm, lässt die Hitze des Tages vergessen. Nur dasitzen, den Tag ausklingen lassen; Erlebtes und Gesehenes fließen ruhig mit Abstand an mir vorüber.Eine Welle der Dankbarkeit durchströmt mich. Es ist schön hier, Vater. Du schenkst zur rechten Zeit das, was meine Seele braucht. Der Alltag, verbannt aus den Gedanken, ist so weit entfernt, wie die Flugstrecke zwischen hier und zu Hause. Deine Liebe und Nähe umgeben mich, wie ein leichter, wärmender Mantel. Alles um mich herum ist sauber, klar, rein und unberührt, nur meine Spuren finden sich im Sand. Ich muss zurück, Dunkelheit legt sich über die Düne. Das warme Licht des Lagerfeuers zieht mich an, zeigt mir den Weg. Ich weiß, der Teekessel steht im Feuer, freundliche Menschen erwarten mich. Der Abendstern ist nun klar zu sehen und unterm strahlenden Sternenhimmel darf ich ruhig schlafen. Ein geschenkter Tag geht zu Ende.

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Wir laufen gemeinsam durch unberührten Sand, hinterlassen nichts als unsere Fußspuren, die der Wind wieder verweht.

 Einsamkeit und Weite umgeben uns, laufen in einer uralten Landschaft. Sehen Felsformationen, die unsere Phantasie anregen, sehen in ihnen längst vergangene Steinstädte, Ruinen von Festungen mit starken Mauern, Kathedralen und Paläste aus 1000 und einer Nacht. Werden uns der Vergänglichkeit bewusst. Da, erkennst du das Tuaregparlament, dort drüben ein Huhn, ein Liebespaar, eine Moschee mit vielen kleinen Kuppeln. Laufen über klingende Steine, sehen Platten aus Eisenerz und Mangan, die zu Kunstobjekten verwittert sind.

Unsere Augen achten auf die kleinen Wunder, die zu unseren Füßen liegen. Durch Wasser geschliffene Steine, die angenehm glatt durch unsere Hände gleiten. Quarze, schön geformt wie Edelsteine. Sehen Fossilien von Seenelken, die von der Zeit zeugen, als hier Meeresboden war. Finden Pfeilspitzen und Tonscherben, geschaffen von Menschenhand vor lang vergangener Zeit. Mahlschalen und –Steine liegen vor uns, als wären sie erst gestern benutzt worden. Tierspuren im Sand erzählen von den Bewohnern der Wüste, von Gazellen, Wüstenfüchsen, Echsen, Mäusen, Vögeln und Insekten. Achten auf Spuren der Schlagen, begegnen ihnen mit Respekt, wissend, um die Gefahr ihres Gifts.

Alles greift harmonisch ineinander, die warmen Farben des Sands, die weichen Formen der Dünen mit ihren klaren Kämmen, der durch Wasser, Wind und Sand geformte Fels und ein strahlend blauer Himmel mit seinen weißen Wolkenformationen. Nichts stört unseren Blick, alles passt. Und auch wir werden leise und ruhig, fühlen und fügen uns hinein.

Vor uns, eine Felsformation, in ihr eine Grotte, geformt wie eine Orchestermuschel, wie geschaffen zum Musizieren. Wir sitzen oberhalb im warmen Sand der Düne und lauschen dem Flötenspiel von Rose Marie, schließen die Augen und fühlen uns frei.

Auf einem Plateau ein Friedhof aus der Vorzeit. Steingräber, den Dünen nachempfunden, geschmückt mit ausgewählt schönen Steinen, zwei für Männer, drei für Frauen. Größer und kleiner gestaltet, je nach Stellung im Clan. Angepasst und hineingefügt in die sie umgebende Natur. Hier ist kein Raum für Disharmonien, Friede liegt über dem Plateau.

Durch eine weite Ebene laufen wir zurück, erklimmen Dünen und rutschen hinunter, wie übermütige Kinder.

Sehen schon von Ferne unser Zelt und wissen, die Tuareg warten auf uns mit klarem kühlen Wasser und warmem süßen Tee. Vater, was für ein Geschenk, hier sein zu dürfen.

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Wieder unterwegs! Kleine Felsformationen säumen den Rand eines weiten Tales und plötzlich, in der Weite der Wüste ganz unerwartet, Zeichen eines verlassenen Nomadenlagers. Ein Unterstand für Vieh, Reste einer Umzäunung, eine Blechschüssel auf einem Holzskelett, wie gerade nach dem Spülen zum Trocknen aufgehängt. Im Sand ein paar Blechringe, ausgeschnitten aus alten Ölfässern. Unsere Fahrzeuge halten, Sherch geht ein paar Schritte, bleibt plötzlich stehen, ein paar kurze Worte fallen, Anweisung an die Crew, im trockenen Sand zu graben. Wir stehen in der glühenden Mittagssonne und schauen zu, wie sie mit bloßen Händen im Sand graben, reichen einen Klappspaten und die verwaiste Blechschüssel an, um die Arbeit zu erleichtern. Sehen in dem schnell entstehenden Loch alte Äste und Wurzeln. Nach ca. 50 cm wird der Sand dunkler, Aufregung macht sich breit, eifrig wird weiter gegraben. Nach ca. 1 m, der nach oben gereichte Sand ist nass, die Hosenbeine unserer Begleiter sind feucht. Aber sie graben weiter, unentwegt immer tiefer, geben sich mit dem Erreichten nicht zufrieden. Dann, nur eine kurze Spanne später wird ein Sand-Wassergemisch angereicht. Inzwischen mag das Loch ca. 1,6 m tief sein und…, wir trauen unseren Augen kaum, „LEBENDIGES, FLIESSENDES WASSER“ mitten im Nichts. Das Wasser steigt schnell. Mit unserem großen Suppentopf wird so lange geschöpft, bis fast kein Sand mehr das Wasser trübt.

Unsere 12 leeren Wasserkanister werden aufgefüllt, Vorrat für die nächsten Tage gesammelt.

Noch verwundert und nachdenklich über das Gesehene brechen wir schon wieder auf. Im Auto fällt mir JESU Begegnung mit der Sünderin am Jakobsbrunnen ein. Und… ich beginne zu verstehen. Wer lebendiges Wasser trinken will, darf nicht an der Oberfläche bleiben, sich nicht mit Bruchstücken begnügen, sondern muss in die Tiefe gehen. 

Welch ein Lehrstück für unser Leben!

(Joh. 4, 13 + 14)
 Jesus Christus spricht: “Wer dieses Wasser trinkt, wird bald wieder durstig sein. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, der wird nie wieder Durst bekommen. Dieses Wasser wird in ihm zu einer Quelle, die bis ins ewige Leben hinein fließt.“

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„Die Wolken riechen nach Sandsturm“, sagt der Sherch. Nur noch unscharf erkennen wir die Silhouetten der Felsen auf der gegenüberliegenden Talseite. Aufgewirbelter Sand treibt durch die weite Ebene. Zwischen zwei Felstürmen dreht sich eine Sandhose. Unruhe macht sich breit.
Sherch sucht für uns einen geschützten und schattigen Platz auf der Nordseite einer Felsformation. Ganz ohne Hektik beginnen unsere Begleiter trotz des starken Windes mit der Zubereitung des Mittagimbisses. Wir fühlen uns sicher und gut aufgehoben. So warten wir voller Neugier und Spannung auf den Sturm. Sitzen nah an der Felswand, ruhen einfach aus, jeder auf seine Weise, schlafend, lesend, meditierend oder einfach dem wirbelnden Sand auf der Düne zuschauend. Der Wind wird lauter und ebbt wieder ab.

Ein starker Sandsturm bleibt aus, zog wohl auf der anderen Talseite an uns vorüber. 
Ruhe tritt wieder ein, Stille kehrt in die Wüste zurück. 

Geborgen im schützenden Schatten des Felsens essen wir zu Mittag, Salat und im Holzfeuer gebackenes Brot. Danach trinken wir den traditionellen süßen Tee, immer drei kleine Gläschen.
In der Wüste sagt man: Die erste bitter, wie das Leben.
 Die zweite süß, wie die Liebe und 
 die dritte sanft, wie der Tod. Und, ziehen wie Nomaden weiter, unserem Nachtlagerplatz entgegen.

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Unser Weg führt durch eine uns unendlich scheinende Einsamkeit und Weite, mit immer neuen schön geformten Felsformationen aus Sandstein, auf denen unsere Blicke verweilen. 

Ab und zu wird das Bild unterbrochen durch saftig grüne Akazien und Tamarisken, sehen sogar mitten in der Sahara kleine Akazienwälder und –Alleen. Die Wüste ist auffällig grün, wegen des starken Regens im August, erklärt uns Sherch. In der Ferne sehen wir eine Gazellenherde die Weite queren.

 Vor uns eine Felsformation mit einer weithin sichtbaren große natürlichen Grotte. 
Wir steigen eine Düne empor, klettern den Fels hinauf in die Grotte hinein, die hoch voller aufgewehten feinen Sandes ist und sehen Felszeichnungen aus uralter Zeit. Hören etwas über Wildtier-, Rundkopf-, Rinder-, Pferde- und Kamelperiode. Vor uns filigrane, sehr konkrete Zeichnungen von Pferden, Gazellen, Rindern, Kamelen, Giraffen, Straußen und Menschen in roter und weißer Farbe. Sehen geschriebene Botschaften in Tuaregschriftzeichen, erkennen ein lebensgroßes in den Fels geritztes Rind und einen Panther.
 Botschaften, die uns zeigen, wie fruchtbar und belebt dieses Gebiet einmal gewesen ist. Ehrfurcht erfasst uns, wir werden still, haben keine Worte, die unsere Gefühle beschreiben können, fragen uns, was einmal von uns bleiben wird?

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Das Licht wird milder und wir wissen, der Tag geht zu Ende, ein Nachtplatz wird gesucht. 
Unsere Begleiter werden unruhig, unterhalten sich aufgeregt in Tamaschek und dann ruft Inballa, unser Koch: Wasser!
 Wasser, wieder eine „Fata Morgana“, dass gefürchtete Trugbild der Wüste denken wir. 

Aber dann sehen auch wir ihn, einen kleinen See mit vier saftigen grünen Akazien in der Mitte in der Weite des Tales, eingerahmt von kleinen Felsformationen und einer großen Sanddüne im Hintergrund.

Wir trauen unseren Augen nicht, steigen eilig aus, müssen das Wasser berühren, durch die Hände laufen lassen. Der Sand um den See herum ist ganz fest zusammengepresst und aufgesprungen, sieht aus wie rissige, trockene, poröse Haut. Es haben sich dünne Sandplatten mit gewellten Rändern gebildet, manche so dünn wie Papier. Das Ufer übersät mit Tierspuren. Noch gefangen von dem Naturschauspiel fahren wir weiter, die Zeit drängt, die Sonne versinkt schnell. Wie jeden Abend finden unsere Begleiter einen schönen Lagerplatz an einer Felsformation, dahinter eine hohe Sanddüne. Auf dem Kamm angekommen bietet sich ein phantastisches Bild, im Tal liegt ganz malerisch im letzten Sonnenlicht unser kleiner See. 

Ganz wunderbar sagt Rose Marie und wir können ihr nur zustimmen.

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Der Einbruch der Dunkelheit führt uns wieder zusammen. Alle noch beeindruckt vom Schauspiel des Sonnenuntergangs, der sich immer wieder neu und großartig präsentiert. Dieser Moment gehört jedem alleine, Worte stören nur, Erklärungen sind banal und überflüssig, ehrfürchtig und andächtig verabschieden wir das Licht. 

Nun rücken wir nah zu einander, genießen die Gemeinschaft, teilen die Eindrücke des Tages, hören einander zu, achten aufeinander. Fühlen uns frei und gleichzeitig wohl behütet, wie Kinder. Unbelastet von Alltagsproblemen, ohne störende Äußerlichkeiten, Termindruck, Nachrichten die, die Welt draußen bewegen. Unsere Welt ist ganz klein geworden, beschränkt auf das Wesentliche, das Elementare und damit gleichzeitig sehr weit, alle Sinne sind hellwach. Wir fühlen uns als Teil der Schöpfung und dem Schöpfer ganz nah, der alles um uns herum so wunderbar gestaltet hat. Die Stille bietet Raum für Gebet, Meditation und Muße.

Freuen uns auf den heißen Tee und das liebevoll bereitete Abendessen. Warten gespannt auf das nächste Kapitel, das Anke uns gleich vorlesen wird. „Die Weisheit der Tuareg“, ein alter Tuareg hält uns den Spiegel vor, in dem wir uns unserer Oberflächlichkeit bewusst werden, lauschen der Wüstengeige. Wir lassen uns ein auf die „kleinen“ schönen Dinge um uns herum, für die in unserem Alltag kein Platz ist, an denen wir sonst hastig und achtlos vorübergehen. „Der blaue Mann hob den Kopf. Ich weiß, dass die Kirchen im Land des Eremiten (Charles des Foucauld, Gründer der kleinen Brüder), der hierher kam, um seine Glauben zu leben, leer bleiben, auch wenn die Glocken läuten. Nur alte Menschen mit zitternden Händen und Lippen versammeln sich noch dort. Ich weiß, dass eure größten und ältesten Kathedralen wie heilige Grotten sind. Ihr besichtigt sie, doch dort ist nicht einmal der leiseste Hauch eines Glaubens zu spüren, da ihn niemand mehr lehrt. Aber glaubst du, dass die Menschen zusammen bleiben können, wenn nichts sie zusammenhält?“
 Tiefblau wölbt sich der Himmel wie eine Schale über uns, helle Rändern säumen den Horizont. Lange schon sind Mond und Abendstern aufgegangen und endlich ist der Sternenhimmel komplett. Unbeschreiblich klar leuchten die Sterne, Sternbilder sind deutlich zu erkennen. Kein fremdes Licht lenkt unsere Blicke ab, nichts stört die Harmonie. Über uns die Milchstraße leuchtet, wie ein mit Diamanten besetztes Band, Sternschnuppen fallen und verglühen. Die Seele fühlt sich leicht und frei. Wir sitzen im Sand um das Feuer herum, dessen warmes Licht die Gesichter erhellt. Atmen die klare Luft, lauschen in die Stille hinein, fühlen uns sicher und geborgen, trinken süßen heißen Tee. Das Feuer brennt herab, unsere Begleiter richten ihre Schlafplätze rund um seine Glut. Wir trennen uns, suchen unsere Schlafplätze auf, kuscheln uns in die Schlafsäcke. Die Stille der Wüste umgibt uns und hüllt uns ein. Alles ist friedlich, befindet sich im Gleichklang. Der letzte Blick dieses Tages geht hinauf zum Sternenhimmel, der mich die Allmacht meines Gottes preisen lässt, Dankbarkeit erfüllt mein Herz. Ich fühle mich gut aufgehoben, spüre seine Liebe und Fürsorge, da ist kein Platz für Ängstlichkeit. Wenn ich später in der Nacht aufwache, meinen Blick zum Himmel richte, ist alles noch da, wie beim Einschlafen, es ist kein schöner Traum. Die Sterne strahlen auf mich herab, sind mit dem Mond ein Stück am Himmel weitergewandert. Beruhigt drehe ich mich um, schlafe wieder ein in der Gewissheit, seine Hand ist über mir.

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Und wieder geht es weiter, wie Nomaden getrieben von einem Lagerplatz zum anderen. Durchfahren im gleißenden Licht eine Dünenlandschaft und in uns keimt die Frage auf, ob die Dünen, so wie sie vor uns liegen, wohl unberührt sind, wurden sie jemals von Menschenfüßen betreten? Vor uns eine wunderschöne, halbmondförmige hohe Düne mit einem klar gezeichneten Kamm, im Halbrund überhängend, wie eine Ozeanwelle kurz vor dem Brechen. Malerisch davor ein kleiner grüner Akazienwald. Die Düne geht über in eine durch Wasser-, Wind- und Sanderosion rund geschliffene Felsformation. Unberührte Landschaft liegt vor uns, klar und harmonisch eingebettet in die Weite der Wüste. Sattgrüne Akazien und Tamarisken und hellgrüne Flächen mit zartem Grasbewuchs erzählen auf der Weiterfahrt vom Regen im August.

Wieder steuern wir gezielt eine Felsformation an und sehen schon beim Anstieg die eingeritzten Felsbilder. Eine Elefantenherde, ein Nashorn, detailgetreue Bilder von Giraffen und ganz klein ist auch ein Mensch verewigt. 

Wunderschön, zwei Rinder, die Köpfe einander zugewandt, wie ein Liebespaar. Daneben auch unscharfe Zeichnungen, wie von ungeschickter Hand, vielleicht auch nur stark verwittert. 
Es braucht nur wenig Phantasie, sich die Ebene fruchtbar vorzustellen. Ein Traum aus lange vergangener Zeit zieht an unserem inneren Auge vorbei, wir sehen Herden der gezeichneten Wildtiere in der Ebene, sehen die Lagerstellen der Menschen. Fahren weiter durch eine flache weite Sandebene. Am Horizont Trugbilder von Seen, Uferbepflanzungen, Schiffen und zum Wasser laufenden Buhnen. Im Auto wird es still, jeder geht seinen Gedanken nach, alle wissen, der Weg führt uns zurück nach Tamanrasset. 

Dann, wir fahren geradewegs darauf zu, sattes Grün, ein Haus, ein fremdes Auto, Menschen. Aus der Ferne sieht alles einladend und schön aus. Doch, am Tiefbrunnen angelangt, die Attribute unserer Zeit, Unrat in Form von Plastikmüll, leeren Flaschen, defekten Autoreifen. Ein altes Stahlrohrbettgestell steht verlassen im Wüstensand neben einem klapprigen Bauwagen, der Sand sieht schmutzig und abstoßend aus, auf der Teerstraße zum Brunnen Dieselflecken. Wir fühlen uns wie aus dem Paradies vertrieben und spüren, das Leben hat uns wieder. Wir queren die Teerstraße, die in den Niger führt, biegen auf eine häufige befahrene Wüstenpiste ab. Die Landschaft hat sich völlig verändert, kleine und große Formationen aus rund geformten Granitblöcken, oft wie Skulpturen aufgehäuft, säumen unseren Weg. Granit ohne scharfe Kanten, weich, ja rund geformt allein durch die erheblichen Temperaturschwankungen in der Sahara. Im warmen Licht des Spätnachmittags verlassen wir die Piste und suchen einen Lagerplatz, möglichst weit weg von der Zivilisation. Tauchen ein letztes Mal ein in die Stille der Wüste, atmen tief durch und fühlen uns wie befreit, wieder allein umgeben von unberührter Natur.

901Zartes Licht weckt uns, bricht am Horizont das Dunkel der Nacht. Noch verschwommen heben sich die Granitskulpturen vom hellen Sand ab. Im Osten färbt sich der Himmel zart rosa und dann plötzlich in hellgrau und blau, mit rosa getönten Wolkenbändern. Und, wie nach einer Erholungspause, erstrahlt nun der ganze Horizont in einem Feuerwerk von Gold und Orange. Die Wolken übernehme das Licht, zeichnen sich strahlend und klar vom Hellblau des Himmels ab. Erste Sonnenstrahlen fallen durch die Steinskulpturen vor unserem Nachtlager, nehmen ihnen die Härte, lassen sie weich und warm erscheinen.

Wir frösteln im frischen Morgenwind, reiben verschlafen unsere Augen und warten auf die Berührung der wärmenden Sonnenstrahlen. Lauschen darauf, wie um uns herum der neue Tag erwacht, hören auf den Gesang des Mula-Mula. Das Lagerfeuer brennt schon eine Weile, um es herum sitzen die Turag, reden leise miteinander um uns nicht zu stören, sie genießen die Ruhe und Kühle des Morgens. Die Sonne ist erwacht, das Schauspiel am Himmel, die Poesie des Sonnenaufgangs, ist beendet. Der Mond ist untergegangen und für uns ist es nun Zeit aufzustehen, das Frühstück steht schon bereit, denn wir müssen weiter Richtung Tamanrasset. Unsere Zeit in der Wüste geht zu Ende.

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