Kirgistan 2004: Die Fahrt Kasachstan – Kirgistan

km 4700 06.10.04 9:20  Als ich aufwache begrüßt mich ein entsetzlicher Knoblauchgestank. Junus muß fürchterliches gegessen haben. Es ist empfindlich kalt und wir verzichten vorerst auf unser Frühstück, sitzen trotz des Knoblauchgestanks lieber im geheizten Sprinter, als Tee im Freien zu kochen. Wir fahren in Richtung Astana. Das Wasser eines kleinen Sees am Straßenrand dampft, als ob es kochen würde. Eine Ziegenherde kreuzt die Durchgangsstraße und dann kommt die erste kasachische Tankstelle. Sie wirkt wenig vertrauenserweckend und wir fragen uns, ob dort „gestreckter“ Kraftstoff verkauft wird. Wir haben keine Traute und hoffe auf die nächste Tankstelle, es kann kaum schlechter werden.

Heute Morgen ist sehr diesig und so sehen wir leider wenig von der Landschaft. Die Straße ist immer noch schlecht, sie hat sich seit der Grenze keinen bisschen verbessert. Es gibt weder Rand noch Mittelstreifen, nicht einmal ansatzweise seitliche Begrenzungen und der Straßenbelag ist übel, wir freuen uns über jedes Stück mit glattem Asphalt. Alexander erzählt uns, dass die  Felder rechts und links der Straße früher landwirtschaftlich genutzt wurden. Es war fruchtbares Ackerland, doch jetzt liegt fast alles brach. Bei oberflächlicher Betrachtung sieht das ganze Land  herabgewirtschaftet, marode und heruntergekommen aus. Es gibt beeindruckende Vehikel, die hier die Straße bevölkern. Geisterfahrende Eselskarren gehören ebenfalls zum Straßenbild,  wie Personen, die eine einzelne Kuh am Strick durch die Gegend führen.

Und natürlich, wir haben ihn schon lange vermisst, den ersten erhobenen Stock eines kasachischen Polizisten. Bei den vielen „tollen“ Autos, möchte er sich sicher von der Verkehrssicherheit unserer Sprinter überzeugen. Helene und ich  haben die Polizisten in Stockfische umbenannt. Man muss wissen, dass, sobald ein Stockfisch seinen Stock nur minimal in Bewegung setzt, der vorbeifahrende Autofahrer anhalten muß.

10:00 Und wieder eine Polizeikontrolle, wenn das so weiter geht, kommen wir nie an 😠.

11.00 – 12:00 Brunch am Rand eines Stoppelfeldes. Die Straße hat sich inzwischen verbessert, es ist sonnig und die Landschaft idyllisch. Heute dürfen wir kochen. Es gibt Gnocchi mit hausgemachter Bologneser Sauce. Was wir bei der Planung nicht bedacht haben, sind die niedrigen Außentemperaturen und der kalte Wind. So braucht unser kleiner Campingkocher ziemlich lange, um 2 l Wasser für die Gnocchi zu kochen. Aber es gelingt und zum Nachtisch gibt’s die letzten deutschen Yoghurt und natürlich warmen Tee.

15:00 Unsere dritte Polizeikontrolle. Angeblich sind Funkgeräte nicht gestattet.

km 5000 – 15:45 Schneeregen und die 4. Polizeikontrolle.

17:45 Polizeikontrolle zum Fünften.

18:30 Wir nähern uns jetzt Astana durch die kasachische Steppe. Dirk und ich sinnieren darüber, ob es sich um Taiga oder Tundra  oder keines von beiden handelt. Die Landschaft unter dem phantastischen Himmel mit seinen herrlichen Wolkenbilder ist öde. Uns scheint der Himmel hier näher als zu Hause und wir fragen uns, ob es mit der Weite des Landes zu tun hat.

Je näher wir der Hauptstadt kommen, um besser werden die Straßenverhältnisse. Von der Stadt sehen wir nichts, sondern streifen lediglich die Randbezirke.

Offensichtlich befinden wir uns auf dem Zubringer zum Flughafen, denn die Straße ist jetzt super, hat westlichen Standart und wird rechts und links von Straßenlampen gesäumt – man muss bei Staatsgästen ja für Eindruck sorgen -. Wenige Stunden vorher, an der Grenzstation für den Transitverkehr gab es kaum Lampen. Die Grenzbeamten besaßen nicht einmal Taschenlampen, um die Autos zu inspizieren. Wir standen in hohem Schlamm und hier die totale Verschwendung. Es würde uns schon interessieren, ob die Straßenlampen abends wirklich auch leuchten, aber so langen wollen wir nun doch nicht hier verbringen.

18:50 mal wieder eine Polizeikontrolle, Nr. 6 an diesem Tag. Aber, oh Wunder, ein nicht korrupter Beamter, er bittet Alexander sogar, sich bei Schwierigkeiten mit ihm in Verbindung zu setzen. Er vergisst allerdings uns seinen Namen und seine Handy-Nr. für den Fall der Fälle zu geben 😏. Auf jeden Fall war es eine erfreuliche Begegnung. Zu früh gefreut, denn schon kommt die Ernüchterung.

Wir essen ganz friedlich in einer Fernfahrerraststätte zu Abend. Alexander will eigentlich zur „outdoor Toilette“

und trifft auf dem Weg dorthin auf zwei Polizisten. Sie interessieren sich sehr für unsere Sprinter und fordern Alexander auf, das rote Auto zwecks Inspektion zu öffnen. Natürlich wird mal wieder die Funksprechanlage bemängelt. Alexander erklärt ihnen, dass sie lediglich bei kurzer Distanz einsatzfähig ist  und augenblicklich nicht funktioniert. Außerdem habe man ihm bei der kasachischen Botschaft erklärt, dass die Nutzung einer solchen Anlage in Ordnung sei. Einer der beiden Herren probiert aus, kann das Gerät aber nicht bedienen und bekommt keinen vernünftigen Empfang. Sie sind zufrieden. Dann richtet er sein Augenmerk auf die Plastikdose voller Studentenfutter und fragt nach dem Deckel. Alexander überhört😉 die Frage. Doch der Deckel wird gefunden und die Dose nebst Inhalt konfisziert. Na dann, guten Appetit ihr zwei.

Die Durchgangsstraße führt uns vorbei an Qaraghandy (Karaganda), dort hat Helene vor vielen Jahren ihre Ausbildung absolviert. Es ist viel zu dunkel, um etwas von der Stadt zu sehen, außerdem ist sightseeing in memorial im Moment nicht angesagt.

07.10.2004 – 1:00 Schlafengehzeit auf einem bewachten Parkplatz, hurra, schon so früh ☺.

7:50 Guten Morgen, nach einer „langen Nacht“. Aufwachen mit Schnee auf den Autos. Und, wegen der Kälte, wieder mal ohne Frühstück „on tour“ durch die kasachische Steppe. Die allgemeine Frage ist, wie oft werden wir heute von der Polizei angehalten. Wir werden das Gefühl nicht los, dass wir als rollender Gemischtwarenladen beim jeweils nächsten Streckenposten anmelden werden. Aber was überwiegt und nicht mit Geld zu bezahlen ist, sind die vielen wunderschönen Eindrücke, die wir bisher auf der gesamten Strecke sammeln durften. Leider wird wohl keines der Bilder, die wir aus dem fahrenden Auto schießen, diese phantastischen Bilder wiedergeben: Die unendliche Weite, die schnurgerade, unendliche Straße immer gerade aus, Wolken von denen man glaubt, dass sie die Erde berühren und die Weite des Horizonts.

Witzig sind in dieser Einsamkeit die kleinen Bushäuschen für den Linienbus. Kommt überhaupt einer und wann? In der Ferne sehen wir eine Jurte, bewohnt oder nicht? Und dann, echt geil, Kamele, keine Dromedare wie wir sie aus der Wüste kennen, sondern echte Kamele. Leider sind sie viel zu weit weg, um sie aus dem fahrenden Auto aufs Bild zu bannen.

10:30 Nach Kilometern ohne eine Menschenseele, durchfahren wir eine Stadt mitten in der Steppe. Aksu-Ayuly eine Bergbaustadt in der zu UDSSR-Zeiten auch Gold abgebaut wurde, erklärt Alexander. Neben der Straße große Industriegebäude, vermutlich beherbergen oder beherbergten sie Schwerindustrie.  Für mich  sieht alles sehr marode und wie außer Betrieb aus.

14:00 wir erreichen den Balchaschsee.

km 5980 Wir nehmen uns etwas Zeit, fahren kurz von der Straße runter ans Wasser und genießen den schönen Ausblick.

14:45 Bei einem der vielen Straßenhändler kaufen wir Räucherfisch und essen ihn während der Fahrt. Mir ist der Fisch zu fett, außerdem hat er viele, aber gut zu findende Gräten. Dirk fährt gerade, also operiere ich die Gräten aus dem Fisch, teile ihn in mundgerechte Stücke und reiche sie weiter. Nun stinken unserer Sprinter und meine Hände wie eine Fischbude. In unseren zukünftigen Speiseplan wird dieser Fisch keine Aufnahme finden 😏. Wir deponieren den halben Restfisch in unserer Kühlbox und hoffen auf hungrige Esser. Unsere Route führt sehr lange am See entlang. Alexander erklärt uns, das in dieser Gegend Eisenerz abgebaut wurde, vielleicht immer noch wird. Das erklärt die vielen aufgeschütteten kleinen Hügel.

Wir biegen von der Hauptstraße nach Almaty – bis dahin wären es noch 400 km – ab und fahren nun südlich in Richtung Kirgistan. Tankstellen, die wir alle anfahren, haben zur Zeit keinen Diesel. Als die Tankkontrolle an unserem Sprinter aufleuchtet, fahren wir nur noch sehr „spritsparend“ und schimpfen über Junus, der ja behauptete, es gäbe überall Tankstellen. Richtig, aber … keinen Diesel! Dann taucht endlich wieder eine Tankstelle auf und wir erhalten Diesel. Das war knapp! Volltanken dürfen wir allerdings nicht.

km 6300 – 19:00 Drei Polizeikontrollen auf gefahrenen 4 km, dass ist jetzt die Höchstleistung unserer Freunde mit dem Stock, auf die Gesamtstrecke gesehen. Die Straße ist schnurgerade  und so können wir von der ersten schon die zwei und von dort die dritte Polizeikontrolle sehen. Löblich, bei der ersten Kontrolle wird kein Wegezoll gefordert, die zwei anderen erhalten Trillerpfeifen und Schokolade.

20:30 Ortszeit Ankunft an der kasachischen Grenzstation. Schau’n wir mal, was heute hier so abgeht! Auch hier wird Alexander von dem Grenzbeamten auf den fehlenden Eintrag der PKW’s im Visa angesprochen, außerdem wird ihm vorgeworfen, dass er die Vordrucke in deutsch und nicht in russisch ausgefüllt hat. Der Beamte meint, damit würde mangelder Respekt gegenüber dem kasachischen Staat angezeigt.😳 ???. Schlagfertig erwiderte Alexander, das er dem kasachischen Staat wohl nicht mehr Respekt erweisen könne, als deutsche Freunde mit nach Kasachstan zu nehmen, um ihnen das Land zu zeigen. Diese Antwort brachte den Beamten ins Grübeln und er gab Ruhe. An der kirgisischen Grenze klappt dann alles sehr gut. Dirk findet sogar einen Grenzbeamten, der englisch mit ihm spricht. Allerdings inspiziert auch dieser unseren Innenraum, schaut in Kisten und Kästen.

An jeder Grenze sorgte der Inhalt einer Pamperskiste, die Helenes Bruder uns für Bekannte in Tokmak mitgegeben hatte, für ganz besonderes Interesse. Inhalt dieser dubiosen Kiste ist eine Plastikkiste mit mehreren Schubfächern, diese werden sämtlich durch die Grenzbeamten herausgezogen mit dem frustrierenden Ergebnis: leeeeer 🤣. Die Kiste muss natürlich auch heute geöffnet werden. Der Beamte stellt fachmännisch fest, dass es sich hier um Küchengerät handelt??? Uns soll’s recht sein!

Wir sind eigentlich noch gar nicht fertig, da kommt schon Rahim angesaust und es kommt zu einer stürmischen und herzlichen  Begrüßung. Er hat schon seit morgens an der Grenze ausgeharrt, um unsere Ankunft auf keine Fall zu verpassen. Jetzt kümmert er sich rührend um uns und das noch anstehende Grenzprozedere. Wir freuen uns ganz besonders für Alexander, der jetzt nicht mehr so allein auf sich gestellt ist.

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