Kirgistan 2004: Die Fahrt bis Moskau

Nach arbeitsreichen Endspurttagen sind pünktlich am Freitag, 01.10.04 beide Wagen einsatzbereit.  Nun nehmen wir Abschied von unseren Familien, die sich schon jetzt nach unserer Rückkehr sehnen und etwas ängstlich und entnervt unser Vorhaben begleiteten. Und nun legen wir unsere Reise und ihr Gelingen in die Hände unseres Herrn und bitten um seinen Segen für uns und die Daheimgebliebenen.

Endlich können wir abends um 21:30 starten. Jedenfalls denken wir das, aber da streikt der von uns gefahrene weiße Sprinter. Die beiden laufenden Kühltaschen haben die Batterie des Autos leergezogen und wir müssen das Auto anschieben.

Schlappe 6500 km trennen uns von unserem Ziel Tokmak in Kirgistan!

Kirgistan 2004: Die Fahrt

StepMap Kirgistan 2004: Die Fahrt

Völlig ruhig, problemlos und auf guten Straßen geht’s ab Bad Oynhausen auf der E30 vorbei an Berlin nach Frankfurt/Oder zum Grenzübertritt nach Polen. Als es dann am 02.10.04 hell wird, befinden wir uns schon bei

km 783 in Posen. Was wir nun vom Auto aus sehen können, kommt uns erstaunlich vertraut vor. Die Strasse führt durch ein großes Industriegebiet. Hier sind all die Firmen angesiedelt, die auch bei uns Rang und Namen haben, wie Opel, Volvo, Ikea, Grohe, MAN usw. Das AUDI-Verkaufsgebäude ist im gleichen Design – Branding weltweit – wie bei uns. Die überdimensionierten Reklameschilder an der Ausfallstraße erinnern uns an Israel, Spanien oder an Filme aus den USA.

Bei optimalem Wetter verläuft unsere Fahrt völlig reibungslos. Obwohl, das LKW-Aufkommen Richtung Osten hat in den letzten Stunden extrem zugenommen.  Unsern ersten „Stau“ erleben wir in der Einfahrt zu einem mit LKWs überfüllten PKW-Parkplatz.

Leider hat unser weißer Sprinter nur 75 PS und zwischen den LKWs so seine Schwierigkeiten, was im späteren Verlauf der Reise noch zu einigen Problemen führen wird, denn der „Rote“ ist ein echtes Kraftpaket. Bei schönem Wetter geht die Fahrt durch äußerst flaches, fruchtbares Ackerland, unterbrochen durch verstreut liegende kleine Laubwälder. Wir fahren durch schöne Alleen, gesäumt mit altem Baumbestand.

km 874 – Frühstück zwischen LKWs auf einem gepflegten Rastplatz. Ein kleines, sauberes Toilettenhäuschen bietet uns die Möglichkeit zur Morgentoilette. Alles prima, das Wetter so sonnig wie die allgemeine Stimmung, lediglich das Kochen des Kaffee klappt nicht. Alexanders 12 Volt „Kaffeemaschine“ ist zum  Brühen von 8 Tassen völlig ungeeignet. Also, entweder steigen wir auf Tee um oder Brühen den Kaffee demnächst filterlos.

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km 1079 – 12:30 Unsere Fahrstrecke führt an Warschau vorbei. Die Landschaft rechts und links der Straße erinnert mich nun an das „Alte Land“ – Obstplantagen soweit das Auge reicht – Äpfel, Birnen und Pflaumen werden am Straßenrand zum Kauf angeboten.

km 1130 Wir passieren Minsk und legen in einem sehr westlich geprägten Selfservice-Restaurant eine etwas verspätet Mittagspause ein. cimg0007_2134438790_oAn Stelle von Burgern und ähnlichem, wird hier, mit Ausnahme von Hotdogs, landestypische Kost angeboten. Dirk setzt auf Sicherheit und wählt Hotdog, natürlich ohne Zwiebeln, wir wählen Omelette mit Pilzen und das ist eindeutig die bessere Wahl. Und, um unseren Koffeinspiegel wieder ins Lot zu bringen, beenden wir unsere Mahlzeit mit einen wirklich guten Espresso. Mineralwasser haben wir mehr als genug an „Bord“!

km 1288 – 17:00 wir überqueren bei Nieselregen den Fluss Bug. Und schon verlassen wir Polen und Dirk und ich sind sehr gespannt, wie die Grenzkontrolle zur Einreise nach Belarus sein wird.

Im Nachhinein kann ich nur sagen, jeder Grenzübertritt bietet uns ungeahnte neue Erkenntnisse. Gleich war allen das Raubrittertum und die Korruption, denen wir jedes Mal auf Neue begegneten. Um das noch einmal in Erinnerung zu bringen, wir verfügen sowohl über gültige Personalpapiere mit den notwendigen Visa als auch über gültige Fahrzeugpapiere. Daneben befinden sich in unseren PKWs weder Schmuggelware, Drogen u.ä., sondern lediglich die für die Reise notwendigen Lebensmittel zur Selbstversorgung, Geschenke und der für 14 Tage notwendige persönliche Bedarf an Bekleidung und Hygieneartikeln und Medikamenten. Interessant ist, die Gründe, warum wir „abkassiert“ werden, von Grenze zu Grenze wechseln. Immer ist etwas anderes zu bemängeln und immer ist die Bemängelung inkorrekt. Der Phantasie und Kreativität unserer Kontrolleure ist jedenfalls Beifall zu zollen. Das Ganze erinnerte uns immer wieder an die Geschichte von Zachäus dem Zöllner aus dem Neuen Testament, der sein Vermögen schon damals durch unzulässiges Abkassieren der Grenzgänger erwirtschaftete.

18:45 Wir befinden uns noch immer im endlos erscheinenden Grenzübertritts-Prozedere. Immer neue Beamte legen immer neue Vordrucke, mit der „Bitte“ diese korrekt auszufüllen, vor. Und immer wieder wird etwas Neues bemängelt und wie selbstverständlich gleichzeitig die Zahlung von erheblichen „Gebühren“ – man könnte bösartig auch Schmiergeld sagen – verlangt. Die Höhe des „Schmiergeldes“ richtet sich nach dem Wert unseres Gepäcks und unseres Bargeldes. Also, wohin mit dem „teuren“ Geld, das wir auf keinen Fall deklarieren wollen? Gut, das mir da Oma’s „Strickstrumpf“ einfällt. Wie passend, ich stricke gerade Socken und es ist kein Problem, das zusammengerollt Geld im angefangenen Knäuel zu verstecken. Und das alles mehr oder weniger unter den gestrengen Augen – Videoüberwachung – der Raubritter. Wozu man Strickzeug so alles gebrauchen kann 😜. Bei jeder folgenden Rast erinnert mich Helene an die Mitnahme meines Strickzeugs, wir stricken ja so gerne 😂.
Ich weiß wirklich nicht, wie viel Beamte am Ende mit uns beschäftigt sind und in wie viele Grenzhäuschen Alexander laufen muss. Einer der Beamten hat die geniale Idee, dass der Besitz von 2 PKWs in Belarus verboten ist – Kostenforderung 500 € -. Nach zähen Verhandlungen, völlig auf sich gestellt, denn Helene wird einfach beiseite geschoben, schafft Alexander die Angelegenheit mit deutlich niedrigere Wegezoll aus dem Weg. Nun fallen dem Nächsten – nein „der“ Nächsten – unserer blühenden Pflanzen ins Auge und prompt: die Einführung von lebenden Pflanzen ist verboten. Kurzerhand werden unsere schönen Blumen konfisziert. Gut, dass die mitgeführten Narzissen- und Tulpenzwiebeln gut verpackt in unseren Stapelkisten liegen. Wir hoffen, dass unsere schönen Blumen in gute Hände kommen. Dann folgt noch etwas besonders kurioses. Nach Beendigung der Kontrollen, fordert ein schwarz, sehr förmlich gekleideter Mann Alexander, Dirk und 6 andere Fahrer importierter PKWs auf ihm zu folgen. Die Gruppe überquert den großen Platz und betritt das Hauptgebäude. Im Flur nimmt der „Schwarze Mann“ einen Fahrer beiseite und beauftragt ihn, von jedem 1 € zu kassieren und das Geld dann bei ihm abzuliefern. Danach marschieren alle zum Grenzcontainer zurück.
Dirk und ich haben ein äußerst schlechtes Gewissen, denn all der Grenzstress ruht alleine auf Alexanders Schultern.

Direkt hinter der Grenze telefoniert Alexander mit dem in Brest wartenden 5. Fahrer – Junus -. Nach kurzer Wartezeit kommt Junus ohne sein Gepäck mit einem Taxi zu unserem Standort. Warum Junus sein Gepäck nicht mitbringt ist uns schleierhaft. Zu allem Überfluss kennt er sich in Brest nicht aus und so bittet Alexander den Taxifahrer uns zum Übernachtungsplatz unseres neuen Wegbegleiters zu schleusen. Es ist ein kleines Haus in einem Vorortbezirk, das offensichtlich „PKW-Überführern“ bei ihrer Durchreise nach Kirgistan als Schlafstelle dient, eine typische Männerwirtschaft. Uns wird angeboten dort zu Abend zu essen und zu übernachten, um am nächsten Morgen zusammen mit den anderen im Konvoi weiterzufahren. Wir packen unsere mitgebrachten Lebensmittel aus und essen in der winzigen, schmutzigen Küche zu Abend. Nach kurzer Lagebesprechung, lehnen wir das Angebot dankend ab. Zurück geht’s auf die E 30, an Minsk vorbei in Richtung Moskau. Nach einem Tankstopp fahren wir auf einer 4-spurigen, unbeleuchteten, leeren Straße vorweg. Plötzlich, ohne jede Vorwarnung, stehen 3 dunkelrote Betonabsperrungen quer auf beiden Spuren. Das zwingt Dirk zu einem abrupten Brems- und Lenkmanöver, und wir werden gewaltig durchgerüttelt, kommen jedoch schadlos, jedoch mit einem gewaltigen Schrecken davon. Lange sind wir unsicher, ob wir nun auf der richtigen Spur weiterfahren.

km 1860 – 03.10.04 – 6:30 Nach kurzer Schlafpause – zur Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit – geht’s unrasiert und fern der Heimat zur nächsten Grenzkontrolle.
7:30 beginnt das Grenzprozedere mit einer Polizeikontrolle, danach Ausreise Belarus und Einreise in die russische Föderation.
8:50 sind wir wieder „on tour“! Puh, dass ging unerwartet flott 😏.
9:00  Outdoor-Frühstück auf dem Parkplatz einer kleinen Fernfahrer-Raststätte. Draußen wird Schaschlik auf dem Grill gebraten. Schaschlik zum Frühstück ist nicht so unser Ding, wir frühstücken lieber typisch deutsch mit Brot, Butter, Käse und Marmelade.


Heute gibt’s Tee und als Bonbon eine Latte Macchiato. Unser Dungane Junus steuert von seinem Reiseproviant, gebratenes Hühnchen und eine Dauerwurst bei. Nach dem Frühstück machen wir erste Bekanntschaft mit den Außentoiletten, die uns nun auf der ganzen Reise – mal ordentlich sauber, mal nicht benutzbar – begleiten werden.
Unterwegs am Straßenrand werden an kleinen provisorischen Ständen eimerweise Äpfel zum Kauf angeboten. Leider haben wir selber noch mehr als genug, so ist mit uns kein Geschäft zu machen🙄.

Km 2210 – 14:15 MEZ – 16:15 Moskauer Zeit Mittagspause auf einem Parkplatz ist angesagt. Unser dunganischer Wegbegleiter besteht auf schnelle Weiterfahrt und so bleibt die Küche kalt. Das Angebot am Straßenrand hat sich inzwischen deutlich vergrößert, neben Äpfeln werden nun auch Pilze, Honig u.a. zum Kauf angeboten. Heute ist Sonntag und es scheint, als wären viele Moskauer in den Wäldern zum Pilze sammeln unterwegs. Am Straßenrand sehen wir einige Wochenendsiedlungen mit kleinen Datschen und wir überlegen, ob die Häuschen begüterten Moskauern gehören? Je näher wir Moskau kommen, umso dichter wird der stadteinwärts fahrende Verkehr. Die eigentlich  vierspurige Zufahrtsstrasse wird auf unserer Seite mittlerweile vierspurig genutzt. Der mit zwei durchgezogenen Linien gekennzeichnete Mittelstreifen wird völlig ignoriert, was wiederum bedeutet, dass die 2. Spur der Gegenseite von unzähligen „Geisterfahrern“ stadteinwärts genutzt wird. Außerdem wird zusätzlich der unbefestigte Randstreifen als Fahrspur genutzt. Unbeeindruckt läuft der Verkehr stadtauswärts zweispurig weiter.cimg0031_2133666867_o
Wir haben nicht daran gedacht, dass, wie überall auf der Welt auch in Moskau, die Städter bei schönem Wetter hinaus aufs Land fahren. Schlechtes Timing durch uns, wir stecken in der Stadtheimkehrer-Rushhour. Ein kurzes Stück führt unsere Strecke über einen Flughafenzubringer, bevor wir auf den mittleren Moskauer Ring abbiegen. Alexander erklärt uns, dass Moskau über insgesamt 5 Flughäfen verfügt. Moskau erscheint mir wie ein riesiger Moloch. Unzählige Trabantenstädte mit mächtigen Wohnsilos – ich zähle 28 und mehr Stockwerke – liegen rechts und links der dichtbefahrenen Durchgangsstraße. Dazwischen große Einkaufszentren mit uns vertrauten Namen wie OBI oder Ikea und natürlich die Vertretungen aller namhaften Autohersteller.

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